Woche 36 2003
Dieses Panorama hat etwas von einer musealen Zinnfigurenlandschaft. Doch nein, auf diesem Bild ist alles echt – lebendiger Alltag auf dem Wismarer Markt vor etwa hundert Jahren. Das vom Rathaus aus festgehaltene Geschehen wirkt an diesem Tag allerdings etwas schläfrig. In der Tat sind die Höker nicht zu beneiden. Die pralle Mittagshitze brennt von oben und heizt das Kopfsteinpflaster auf. Nur wenige haben einen Sonnenschirm dabei. Für sie war der Abend sicher eine Erlösung. Für Ricarda Huch war er eher ein Phänomen. In ihren „Lebensbildern deutscher Städte“ schrieb sie 1926: „Wenn der Schleier der Dämmerung darüber fällt und das Grün des Kupferdaches der reizenden Wasserkunst kaum noch durch die silberne Luft schimmert, wenn der feste, kantige Turm der Marienkirche zum flachen Schatten wird, empfindet man die Öde des Platzes mit Grauen und glaubt ein Traumgesicht zu sehen, das in der Nacht zerfließen wird.“ Edmund Schröder notierte 1961 ehrfurchtsvoll: „Da steht man mitten auf dem weiten Platz und ist rings von Geschichte umgeben.“ Das Areal galt in der verflossenen Republik übrigens als größter Markt des Landes.